Alpha (Gedicht zur Geburt eines Kindes)

Sanft gefedert aufgehängt
neid und sorgen eingelenkt
schwebt das leben
in der schalen
deines körpers
frei von qualen

Einfach da sein
glatt entkräuselt
nicht das kleinste lüftlein
zäuselt diesen spiegel purer wonne
deines wesens
warme sonne !

Rein und stille
werde satt
freundlich müde rund und matt
friede schimmert
dein gesichtlein
wird den menschen holdes licht sein

Schön der mut von heiler welt
liegt in deinem kern bestellt
ruhige kraft
und ein heit’res entdecken
mögen dir leben
und freude erwecken !

Omega (Zum Tod eines lieben Menschen)

Die dürren Hände zittern, ringen,
„Laßt mich heimgehn, quält mich nicht
mit Pflastern und Kanülenschlingen!“
- Der Arzt will anders, widerspricht -
„Laßt mich sterben“, stockt die Zunge,
und zum dritten Mal das Flehen:
„Heim!“ erstickt es bald die Lunge,
fast will’s das Licht zu früh verwehen.

Gar gnädig sei dir armer Magd
dein Gott im Himmel, wie auf Erden!
Zuende ist die üble Jagd,
vielleicht im Jenseits neues Werden.
Der Sturm hat jetzt genug gewütet,
der Brand der Lungen knistert leise.
Dein Wille, bis zum Schluß gehütet,
geleitet dich zur letzten Reise

nach Hause, wo die Alten, Freunde,
Geschwister, Vater, Mutter warten,
nach mehr als neunzig Wintern scheu’nde
Schimären, bleicher Edengarten,
aufzublühen neu bereit, ersehnt
und still erlebt in langen Jahren,
der Erinnerung entlehnt,
wo sie doch immer bei dir waren.

Der Panther (Rilke, Rainer Maria)

Käfig mit Panther
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Der Panther (II)

Panther II
Zuletzt, so trüb, erneut ein hoffend Sinnen?
Ein schwarzes Silber glimmt um Leib und Fell,
er legt die Lauscher, grollt, er wird entrinnen,
glüht gelber Augenschlitze Lava hell.

Pranken graben Staub und faule Späne.
Mürbe Planken brechen. Steine splittern.
Knochenstäbe wetzen Säbelzähne.
Schreie gellen, Tier und Mensch erzittern.

Schädel bersten, Fratzen fetzen in kochender Wut,
wilde Jagd gestreckter, reißender Lust,
Hetzen, Rennen, schäumendes, gischtendes Blut –
Im Fluge bricht der Schuß die Brust.

Der Panther (III)

Panther III bearbeitet
Wie süße Gazellen in wogendem Grase heilig entschweben,
das herrliche Spielen befreiender Kräfte dort oben erleben
und mühelos dörrende Steppen im Weißblumen-Himmel durchstreifen,
so wird er im strahlenden Glücke das Große von nahem begreifen.

Ganz sachte verblassende Bilder von Wüsten in flirrender Hitze
und dampfendem Urwald mit rollendem Donner und grellendem Blitze
begleiten und führen den wachsenden, selig verdunstenden Äther
des unsterblich prachtvollen Wesens zum Grunde der ewigen Väter

wo einseinig Mündung und Quelle der Liebe lebendig verwoben
und Engelgeschöpfe von weitumher-allerzeit – lichte erhoben
zur schönen Vollendung des göttlichen Kreises – vergehen vor Freuden
in mondendurchleuchtetem Tage und Güte unendlich vergeuden.

Hassrot

Hellwund.
Fleischdunkles Blut.
Hasswahngeränderte Augen.
Gnade dir großer Gott,
Lebensliebenszeit!

Flüstern

(stimmlos laut und gedehnt vorzutragen)
Lautflüsternde Amseln
tirilieren ins Ohr:

"Geheim ist's, geheim!"

Trommelnde Tropfen
raunender Bach:
"Habt acht, habt acht!"

Im Regen gluckern die Wirbel
und kichern die Gnome:
"Deckt's zu, deckt's zu!"

Sie grinsen, die Fratzen, und schieben die Wolken,
verdecken den Himmel:
"Das Grauen! Das Grauen!"

Verschränkung

Zart Händchen streicht Wänglein,

Kleins Kälbchen stupst Kätzchen,
Feinsliebchen, Kußmäulchen,
Nußäuglein, Glänzschnäutzlein,
kost Bäuchlein im Bettchen.
leckt Fellchen im Ställchen.
Nicht streiten, kurz Röckchen,
Nicht kratzen, Milchtätzchen,
nicht wehren, schwarz Löckchen,
nicht fauchen, Rotnäslein,
süß gurren, mein Täubchen!
leis schnurren, Naßöhrchen!

Verdichtung

Schwarzer Röcke Prozession

Dumpfer Leiber dröges Fleisch
murmelt die Lippen, schwöret Gebete,
malmet die Kiefer, blähet die Lungen,
weihrauchgeschwängerte, dösende Menge
schnaubet den Atem in rauchenden Schwaden,
steht Demut an Demut in drangvoller Enge,
läßt gurgelnde Brühe und gärende Fladen,
davor am Altare in Gottes Ornat:
stampft schmatzende Hufe im faulen Morast:
's sind Pfaffen und Priester in schwerem Brokat.
's sind Rindviech und Ochsen in schläfriger Mast.

Das Kind in meiner Ecke

Das Kind in meiner Ecke: hockt und starrt
und zittert leise, rührt sich nicht und harrt
dem wärmenden Trost, im Niemandesland
der Angst vor Angst – verzweifeltes Geistlein am Rand

der großen Welt, zu eng gepreßt im Zwinger
meines Herzens, toter Freudenbringer,
Alb meines Glückes, irrender, bleichender Falter,
ich fiebre, du spürst nichts, mein Lebenserhalter.

Das Kind in meiner Ecke hockt und schweigt.
In seinen großen, runden Augen zeigt
es dunkler Tiefen ungeweinte Tränen,
fahle Pferde mit wehenden Mähnen.

Weiß

Elfchen im Zaubertanzrund,
wie schwebeleichte Nebeldünste, watteweißer Hauch,
wie glitzerbleicher Mondenschein und Zwinkersternenstiche!
Sie ahnen die Träume, die ewigen Wunder.
Und wirklich
rieseln hellklare Schattenflocken.

Wie jetzt?

Frau
Frau am Büffet
Hübsche Frau am Büffet
Hübsche Frau am Büffet und angeregtes Gespräch
- Wie jetzt!?

Es ist

Aus der Wiege, da brabbelt's: "Ich weiß noch ..."
und der Greis, er denkt nach und erfindet: "Ich bin!"
Das Kindlein hört zu, und es lacht.
Der Alte versteht nicht. "Sag, was ist das Sein?"
Der Junge wallt auf: "Nun sieh endlich ein!"
Der Vater zum Burschen: "Mein Sohn, es ist so ..."
Der Mann sagt zum Bruder: "Es ist, wie es ist."
Aus der Mitte ein Raunen: "Das ist das Leben!"

Regenbogenschwärme

Wasserstaub! Regenzeit!

Perlen fliegen im sprühenden Takte,
im hüpfenden, zuckenden Tanze
von glitzernden Leibern,
die wirbeln und stampfen und drängen und dräuen.

Hoffen und Suchen, Zeit ohne Zeit!

Kaskaden gleißenden Rausches, ununterbrochen,
verblenden, betäuben, ersäufen die Menge
im Klang ohne Hören,
im Spiel ohne Grund.

Fruchtbarkeit!

Saufet nur, stürzet den Wein,
schlürfet und sauget Vergessen!
Ermüdet, ermattet, erschöpft euch vollends!
Noch heute wird euch ein Faun geboren.

Frischkönig

Ballspiel am Spielbrunnen
"Heißa!", denkt der Brunnenfrosch,
"das Königsspiel für Froschkönige am Froschbrunnen!
Brunnenfrische Frechspiele mit Spielbällen - juche!

Froschfreche Frechfrösche und spielfrische Ballkönigin.

Au wei, der Ballbrunnen ist Frechbrunnen,
schluckt brunnenfrech-frechfrisch den Brunnenball.

Prinzessin.

Spielfrech. Im Froschspiel.
Sucht Königsball. Sieht Spielkönig.

Grinst: "Spielfrosch statt Brunnenspiel!"
Greift ballfrech-frischfrech den Königsfrosch:
"Du königsfrischer Frechball du!
Komm!

Frischfrosch statt Frischbrunnen!
Und Frischspiel!"
Frischkönig!

Die Zeit (W. Busch)

Die Zeit, die alte Urschel,
hinterrücks immer geschäftig, huscht sie
geräuschlos vorüber in ihren Filzschuhen,
den Haarbesen in der Hand.

Ich dreh mich um - sieh da!
Ein ganzer Winter voller Schnee,
ein Frühling samt Veilchen und Nachtigallen,
ein Sommer mit seinen Gemüsekörben
und Rosensträußen -

es ist alles fein sauber beiseite gekehrt
an den Ort, wo geschrieben steht:
"Vergangenheit!
Hier wird Schutt abgeladen."

(1982)

Liebeslied (Rilke, Rainer-Maria)


Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möchte ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden, stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

(Das Gedicht ist von NINO DEDA für Chöre vertont worden.)

Wirbelwind



Geister des Windes
raufen sich leise,
zanken sich zischend
auf diebischer Reise
durch’s gleißende Land,
vom Sommer verbrannt.

Wie können sie frech sein!

Ein dürstendes Bächlein,
gelb-goldene Zöpfe
im stachligen Saum
des Dorfes
ebener weiterer Raum,
ein wirbelnder Strumpf
aus Stroh und aus Staub…

Bald fliehen sie ledig
mit billigem Raub
der Sonne Wut,
der Erde Glut.

Kindlein aus der Ecke

Miniatur Tusche, 15 x 8 cm, unverkäuflich: Sonja Hager

Nimm das Kindlein aus der Ecke,
daß es sich nie mehr verstecke.
Stärke seinen kleinen Mut,
zünde an die junge Glut,
führ es in die schöne Welt,
daß sich sein Gemüt erhellt.

Leit es gut auf großer Reise,
gönn ihm Sinn in eigner Weise,
öffne seinen Raum zum Staunen,
wecke seine höchsten Launen.
So entspringt ein klarer Geist,
wie du von dir selber weißt.

Die Sonnentänzerin

Gemälde Acryl, 40 x 80 cm, käuflich: Sonja Hager
Sonnentänzerin
Wohlig um die ganze Sonne wehen,
sprühend Staub und Dunst zerglühen sehen,
Blitzezeiten müßig fortgewoben,
Weg und Raum sind winzig aufgehoben.

Neutrinos, erfrischend,
spritzen ihr Antlitz
und trunk’ne Küsse saufen Tropfen.
Die pochen’s Herz! Wie brennt’s die Kehle!
Welch würzig süßer Feuerodem,
immer wieder heiß!

Strahlende Wärme in leuchtenden Farben,
vom Fuß bis zum Haupte in mächtigen Garben,
durchflutet in lodernder Aura mit Würde
die tanzende Göttin, ganz frei jeder Bürde.

Wie Rehe sich strecken,
nackend im Walde,
ein flinkes Silberlicht im Regen!
Protonen rauschen wohlig nieder,
Photonenschauern nieseln golden,
und die Haut wird glatt.

Fort durch Äonen, erhobenen Mutes,
verströmt sie den Lichterkranz. So nur geruht es
der Mutter des Uriel leichthin zu fließen,
das Leben so zärtlich, doch wild zu genießen.

(Anm.: Uriel ist der Engel des Lichts)

Lastbrief-Brieflasten

Der Briefbrüller im Briefkasten:
„Kein Brief!“ brüllt er,
„Ein Miefkasten, der Briefeimer!“ –
Der Miefeimer wird Brüllkasten.

Der „Müll!“-Brüller schilt Brief-Müll’er:
„Ihr Müllbriefer und Miefmüll’er
schmäht Miefbrüller im Brülleimer
als Brüllmiefer im Mülleimer!“

Die Briefmiefer und Brüllbriefer
scheu’n Brüllmüll’er im Müllkasten,
denn Miefbriefer sind Müllmiefer.
Mein Briefkasten: kein Mülleimer!

Sonne döst


Habichte schweben,
schneidend scharf ihre schreie.
Fern taut ein bächlein.

Weißes lineal
im blau
droben kein wölkchen,
summt frühling ans ohr.

Schatten springen sacht,
abendrast am waldesrain,
sonne döst, schläft ein.

Wow! Solch wunder
- licht!
farbendunkler abendhauch,
himmelslebensglut!

Hinter der Mühle

Weicher wolkenflaum
wald um wald darin
ein see!
schwalbenpfeile schwirr’n

Das Fest des Wüstlings (Christian Morgenstern)

Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!

Was huscht und hascht und weint und lacht?
Was cymbelt gell? Was flüstert sacht?
Das ist das Fest des Wüstlings!

Die Pracht der Nacht ist jach entfacht!
Die Tugend stirbt, das Laster lacht!
Das ist das Fest des Wüstlings!

(zu flüstern)

to: The Human Genome Organization

Gesetzt der Fall, dein Körper bleibt
die höchste Stufe der Vollendung,
nicht Krankheit, Alter, Tod entleibt
dein Sein in häßlicher Verschwendung.
Welch Schicksal wünschst du dir alsbald,
wenn Langeweil und Einsamkeit
das Schöne tilgen im Gehalt
des Lebens, und niemand heilt dein Leid?

Welch teuflich Lust mußt mann empfinden,
die eig’ne Keimbahn aufzuspalten,
sein heldisch’ Sperma zu entbinden,
das ICH im Genotyp zu falten.
Von grauen Bärten feuchte Gabe,
des eitlen Ärztewahnsinns Ware,
sie starrt im kelvinkühlen Grabe
nicht hundert, nein für tausend Jahre.

Was alles muß geschehen sein? –
Längst mißt man keine Jahre mehr,
die Sonne streicht die Erde ein
und brennt den roten Himmel leer.
Dein Zeitraumschiff führt Daten mit,
hält bleiern, was du bist und weißt,
unsterblich wachst du, Bit für Bit,
für Ewigkeiten eingeschweißt.

Erläuterungen zu obigem Gedicht

Die Human Genome Organization hat als erste das menschliche Genom entschlüsselt. Dem Gedicht liegt die Vorstellung von einem Medizin-Wissenschaftler zugrunde, dem es gelingt, die eigene Erbinformation (sein Genom aus seinem Samen; das ist der Genotyp) und seine in seinem Körper (das ist der Phänotyp) abgelegten Erfahrungen zu kodifizieren und digital abzuspeichern, dann, in einem Bleigefäß gegen Strahlung geschützt, per Raumschiff von der Erde zu entfernen, dies in der Hoffnung, alles irgendwann einmal wieder dekodieren zu können, um sich selbst dann identisch neu zu erschaffen. Irgendwann heißt in so fernen Zeiten, daß zwischenzeitlich die Sonne sich aufblähen konnte und ihr Radius dem Radius der Erdbahn entspricht. Dann ist der Erdenhorizont verbrannt und die Erde wird in die Sonne stürzen.

Herbst-Zeit

Zur Ruhe kommen Vieh und Weide.
Ein Nebel hüllt das Tal in Seide.
Fern ragt ein Turm, bizarr gezackt
von Wandervögeln, dicht gepackt.

Vorüber ist der Sonne Kraft,
und alles, was der Wind nicht rafft,
das läßt den Scherz und sein Gehab’
es find schon selbst sein welkes Grab.

Der Wald weint feine Schleier,
es frösteln schon die Weiher.
Der Sommer ist zuende:
Wenn ich ihn wiederfände!

Die Zeit zerrinnt
und eilt geschwind
von Tag zu Jahr,
legt Schnee
ins Haar.

Wünsche

Im Wünschen...

...beliebt...
In Herzklopfens Rauneraum Staunezeit schweben,
kein Drängen, kein Reiben, nur Fülle erleben,
beglücket bisher alle Wünsche mit Gnade;
es gibt nur den einen: so lebe gerade

...berauscht...
Verwegensten Taten, unschätzbaren Reichen
zerglitzernde Augen gereichen
dem Mut nach berauschendem Weine
in Elfentanz-lüsternem Haine.

...beglückt...
Den Schritten des Glückes erwachsen die Wege
im Sumpf der Orakel vorauseilend’ Stege,
umschließende Ordnung für Wünsche und Glauben –
ein fröhlicher Gaukler wird alles erlauben !

...bezaubert...
Ein Zaub’rer will sein, der berechtigt,
ein Magier, der leichthin ermächtigt
zu eitelster Wünsche Berührung –
dämonisch gewährende Führung !

...bestrebt...
Der Wünsche Erfüllung, aus Arbeit ergeben
– Muskelspannung, Schweiß und heiße Atmung
dampft die Reibung enger Spalten Pressung –
dies leiste alltäglich in frischem Bestreben !

...sein.

Veränderung (Petra Ewering)

Lange genug mit angezogener Handbremse gelebt.
Jetzt bügle ich mir die Zweifel aus meinem Gesicht.
Bitte die Vorsicht zum Tänzchen,
küsse die Sicherheit auf die Nase,
frage die Bequemlichkeit nach dem Weg,
packe meinen inneren Koffer
und lasse meine Gefühle endlich über die Ufer schweben.

(aus "Szirra - Die Verlockung")

Vor dem Einschlafen (Josef Weinheber)

Sich selbst so nah zu ruhn!
So fern sich selbst, zu schweben:
O Leben ohne Tun!
O Singen ohne Sinn!
O süßes Tor der Freiheit -
Ich schwinde sanft dahin.

Melancholie

Gemälde Pastellkreide, 62 x 42 cm, käuflich: Sonja Hager

Schüchtern
streicht ein odem
aus der entfernung
um meine seele.

Manchmal flackert
eine nervöse flamme
durch die asche grauer erschöpfung
und schnappt nach ihm.

Unter flockigem pelz
dämmert schläfrige glut
und zärtliche liebkosung
zwinkert sanfte funken.

Bald schon lodert
mein lachen zu Dir
Himmel
es sehnt mich so!

sinnan

Nadel, Zwirn und Löffel lahm,
Tuch und Topf sind Kesselkram!
Kegel, Kind und Hund ernähren,
bieder Altem neu gewähren –
Nie noch wuchs daraus sehr viel;
schamhaft dunkel stumpft das Ziel,
weiten Bogen fortzubinden,
Sinngestalt und Wert zu finden.

Harren und gewärtig bleiben,
immer wieder neu sich reiben –
Mann und Frau, beherzt gehandelt,
Pflicht in Freundlichkeit gewandelt!
Ernst und Spiel zur Kraft erhebet,
frei gewachs’nen Willen lebet
auf gebundenem Gewissen:
Wachstum, Würde sei der Lohn!

Doch das feingefädelt Wirrsal
labyrinth’scher Gänge Unzahl
dröselt Neugier weit und breiter,
nutzt sie keck als Stufenleiter.
Fragen stellen, Rätsel spüren,
klar entwob’ne Lösung küren,
viele Knoten sind zu forschen!
Ob sie nur dem Schwert gehorchen?

Schaut, wie flinke Wellen lecken
hoch zum Rand im Wasserbecken:
Hurtig purzeln, überschlagen,
Tal durch Buckel, viele Lagen.
Und nur selten bäumet’s Spritzer
gischtet’s lebhaft quirlig Glitzer.
So das Wasser wiegt die Seele,
leicht darüber springt der Geist!

Wutlust

Wer schlug mich zum Opfer, wer quält mich mit unsäglicher Bürde,
wer gräbt mir das Wasser, wer rührt meine menschliche Würde?
Wo berg ich mein Lachen, wann bäumt mich mein unbändiger Wille
zum Tanzen, zum Leben, wann bricht diese tödliche Stille?

Trampelpfade rückwärts tasten, eitrig in der Sucht,
angestrengte Graugespenster lassen keine Flucht.
Ungebor´ne, todeswillig, ziehen mich hinab,
zuzudecken, einzuwerden, schattennichts im Grab.

Wütender Viervierteltakt, du Teufelstanz im Staub,
haftest meinen Sohlen an, es macht so tumb und taub.
Eingebrannte Seelenschrift als Schatten auf der Erd`,
Banngewalten schüttere, ihr wollt nicht, daß ich werd´…

1. Vulkanische befreiung!
2. von innen
3. ein glimmendes lichtlein
4. erleuchtet bald das dunkel
5. wird morgen mein
6. sanftes gesicht
7. sein
8. Lustgeschrei, orkangebrüll loht sonnenglut hervor.
9. deckgebirge fortgeweht
zehntens: es gleiße der glanz empor!

Gebet der Novizin

Gemälde Acryl, 45 x 33 cm, unverkäuflich: Sonja Hager
Novizin
Es ist… Der Zweifel zerrt
mich hin und her und sperrt
mein Herz, Gemäuer über Graben.
Zwei Teufel woll’n mich haben!

Oh macht mich nicht schuldig sein,
bedeckt eure geilenden Augen,
halt’ an euch das stechende Grinsen,
hört auf, laßt nach!


Zu schön für diese Welt,
nur Gott allein erhellt
die Gründe meiner Seele,
so ich denn endlich wähle.

Den Körper unter Seinem Schutz
bewahrt’ Er mich vor allem Schmutz.
Daß nur Sein Sohn mich dürft’ berühren,
wollt’ ich das Heilige erspüren.

Ihr wünscht mich zu scheitern,
zu eurer Lust die Hexe in flammender Scham –
gäb ich euch nach,
zu meiner Schmach.


Erlöst’ Er mich von aller Schand,
so gäb ich Ihm als letztes Pfand
mein Sinn und meine Ehre,
daß unser Bund gar ewig währe.

Ach!

Sich lieben ... (Christian Morgenstern)

Foto: Azzurro

Ich meine,
es müßte einmal
ein sehr großer Schmerz
über die Menschen kommen,
wenn sie erkennen,
daß sie sich nicht geliebt haben,
wie sie sich hätten lieben können.

Tangowinter

Gemälde Acryl, 50 x 70 cm, käuflich: Sonja Hager
Tangowinter

Rote Rosen einst, irrkraus mit einem Beine im Nebel,
die Blüten jetzt ocker, eisige Gnomen,
trauern mit hängenden Köpfen
dem Tango.

Rote Lippen noch, dräuende Brust an kaltnackter Haut,
wallt Nacht in die Seele. Sehnsucht säuft Schweigen,
Küsse gefrieren zu Stein,
im Tango.

Roter Wein erstarrt, barsch birst der Kelch im trockenen Frost
verwehenden Rausches. Und Prinzritters Braut
weint leise ihr Leid
zum Tango.

Namenlos

Gemälde Acryl/Strukturpaste, 50 x 70 cm, käuflich: Sonja Hager

Wie in Glas gegoss’nes Behagen
schwebt mein Ort des Sehnens seit Tagen,
fern, weitab im Dunst dieser Wüste,
wo mich einst das Leben begrüßte.

Tiefste Kraft aus dorrender Erde,
Ruhe, schwer in stiller Gebärde,
selbst mit mir in mystischem Bunde,
heilt die Leere mir jegliche Wunde.

Vater? Stirbst bald. Finster, verhangen,
alte Stadt, versinkend, vergangen?
Räuchelst Eis und Staub, läßt mich schauern.
Bricht dein Blick – wie werde ich trauern!

Besinnung

Gemälde Acryl, 40 x 30 cm, käuflich: Sonja Hager
Zurück erinnert, Stirnenblitze aufgezuckt
und ab im Bauch das Tier geduckt,
nach rechts und links
und weit gestrebt –
nun endlich woget samt’ne Stille,
tief erlebt.

Die wispernden Stimmen
versiegen erstaunt.
Raunende Mahren
entschwinden der Stätte
der Leere in mir –
Gönnt mir Ruh!

Allhier bin ich heute
in Räumen aus Rost,
Firnis von Grünspan
in kupfernen Augen,
im Zentrum, zuletzt,
meiner selbst.

Im Zwiegespräch weise
der Wahrheit gelauscht,
bin ich mir recht so.
Im Spiegel der Seele
erblick’ ich den Kern
meines Glücks.

Traumblinzeln

Blitzeflinke saust die Summselfliege,
wo ich noch im Dämmerschlummer liege,
zucket emsig in der Sonne Saal
durch des Morgens ersten Wonnestrahl.

Eilet wißbegierig hin und her,
säuft das kurze Leben kreuz und quer,
Flügelschlag um tausend Flügelschläge
folgt sie eckig ihrem wirren Wege.

Und der schmale Spalt im Fensterladen
zielet dünn den lichten Glitzerfaden,
den sie immer sucht und doch nicht findet,
weil er stets im Flug verschwindet.

Darum wird sie fortan jeden Morgen,
für mein blinzelnd’ Aug im Traum geborgen,
weiter zackig ihre Kreise fliehen,
bis die Nacht zum vollen Tag gediehen.

EA-Gebet

Runde Kugel, ganzer Mond,
Gottes Ruhe in mir wohnt.

Schicksals Wende voller Glut,
Seiner Gnade ist mein Mut.

Bitte.

Schenk mir Weisheit zu entscheiden,
wo mein Weg ist in den beiden.

Zauberspruch

Ruku gamo
goru inwo
schiwé voglu
seigna ismu.

Bi.

Schéwei zuschei
wowé inbei.

Für meine Freundin

Für meine Freundin,
die immer so verliebt
nach dem Tode schaut,
atme ich sanften Nebel,
zupfe seine Enden
zu süßem Trost
vom goldenen Land
am Ende der Straße,
wo nicht Ruhe,
noch Stillen,
nicht Rast,
es leer
wird.

Für sie,
die immer leise anhält
und die voller Sehnen,
regne ich zarte Tränen,
pflanze auch die letzten
noch in fruchtbare Erde
in silberner Wüste
ohne alle Wege,
wo niemals jemand
hinging,
herkam,
lief,
war.

Nicht nur für sie,
die immer liebend verbunden
und darum so weh ist,
spiele ich mit leichten Gedanken,
berühre das Ewige im Weit-All
und schenke dies Wissen
von bronzener Abendsee
mit luftiger Brücke,
wo wir alle
kommen,
gehen,
leben,
sind.

Voller Liebe

glaube ich, die Seele ist unbegrenzt
aufnahmefähig.

Dennoch
- vorübergehend -
hat ihr spezifisches Gewicht zugenommen.

Aber mit Leichtigkeit
kondensiert und kristallisiert sie
das allzu Schwere
oder
löst und verdunstet es als Träume
in den wissenden Raum
der Nacht

und bleibt rein
sie selbst.

Zwei Minuten

Lange
so ver-rückt gewesen.
Krank.
Zuviel gemußt, nichts gewußt und viel erfahren.

Endlich reif sein.
Weise wissend
in mir ruhend,
ruhig.

Was wird sein?

Täglich neuer werden,
Schmetterling, Freude schmetternd,
Falter, Ent-falter,
jauchzend ob des neuen Lebens.

Sanft durch alle Nacht

Hoffnungsfrohe Herzen klopfen -
Weihnacht! Glitzerfunken tropfen
über grüne Tannenpracht,
glimmen sanft durch alle Nacht.

Farbtropfen

Prisma der Sonne
Glanz des Hellen, im Regen
Tropfenlichterpracht

Vorsicht

Eis
knistert
unterm Fuß.
Kleine Schritte -
See!

Misswahl

Schneeblütenweiß.
Schneewittchen berühmt.
Schneewittchen for President!
Nieder mit der Stiefmutter!
Wählt ...!

Lächeln

Lächeln
Lächeln und Schönheit

Schönheit
Schönheit und Jugend

Lächeln
Lächeln und Jugend

Lächeln und Schönheit und Jugend und
alter Zwerg

Unschuld

Schneewittchenweiß Unschuld
Stiefmutterschwarz

Ein gnädiger Jäger
Hasshatz und Tod

Die Rettung im Walde
Geächtete Zwerge

Versuchung und Einfalt
Verderbnis und Rache

Des Prinzen Gemahlin
Der Königin Tod

Ewige Jugend
Ewiger Schlaf

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